Es war einmal

Wer Fräulein Juli war und wurde.

Die Geschichte von mir, von Fräulein Juli, begann im April 2017. Den Traum dazu, den gab es schon viel länger, aber am 01.04.2017 wurde er Wirklichkeit.


Ich bin gelernte Medienmanagerin. Ich habe sogar in diesem Beruf nach meinem Abschluss gearbeitet. Doch manchmal kommt ganz unverhofft die Realität und zerstört die wilden jugendlichen Vorstellungen. So war es bei mir. Ich stellte schnell fest, dass ich niemand bin, der vor seinem MacBook vereinsamen kann und auf Teufel komm raus, die neue super Anti Falten Creme vermarkten kann. Dies war der Moment, an dem eine Daseinskrise durchaus angebracht wäre, aber die gab es bei mir zum Glück nicht. Denn neben dem Studium habe ich immer in der Gastro gearbeitet. Um Geld zu verdienen, mir meine Wohnung und die Wochenenden finanzieren zu können. Rückblickend erkannte ich, dass ich genau dort sein sollte, in der Gastronomie. Dass es mich glücklich gemacht hat, anderen Menschen einen schönen Moment zu bescheren, ein Teil ihres Lebens zu werden, zu wissen, wann die Kinder krank waren und wann der Hund zur nächsten Impfung musste. Also stand für mich schnell fest: Das Macbook wird gegen eine Schürze getauscht.


Um nicht zu weitschweifend zu werden und Euch noch bei Laune zu halten, springe ich jetzt vor zum 26.08.2016. Der Hochzeitstag meiner besten Freundin. Ein, wie ihr euch sicher denken könnt, überaus emotionaler Tag, vor allem für mich als beste Freundin und Trauzeugin. Das Ja-Wort war geschafft, das Essen und meine Rede auch. Und so saß ich mit ein paar Freuden, vor Glück ganz betrunken unter dem Sternenzelt und sinnierte über die Zukunft. Die Anwesenden wussten, dass es immer schon mein Traum war, etwas Eigenes zu schaffen. Den Menschen eine Möglichkeit zu geben, um zu genießen, um sich bedienen zu lassen, einmal kurz inne zu halten vom stressigen Alltag. Doch noch fehlte mir der Mut und das Selbstvertrauen. An diesem Abend jedoch, an dem das Glück so greifbar war, entstand die Idee: ich fange mit einem Foodtruck an. Klitzeklein, nur ich und mein Hänger und erobern so die Berliner. Gesagt getan. Am nächsten Tag setze ich mich hin und begann meinen Businessplan zu schreiben. Die Stolpersteine und Hürden auf diesem Weg kürze ich hier auch einmal raus, denn das ist eine ganz eigene Geschichte. Wichtig ist nur, dass ich am 01.04.2017 tatsächlich mit meinem Hänger „Quentin“ in Berlin Lichterfelde auf dem Ostermarkt stand. Vollkommen fassungslos und überglücklich, über das, was ich da getan hatte. Ich verkaufte Waffeln. Süße und herzhafte. Frisch und alles handgemacht. Von der Marmelade, über das Apfelmus bis hin zum Waffelteig. Und das verrückte war, dass die Leute Schlange standen und tatsächlich ihr hart verdientes Geld bei mir ausgaben. Ich fing ab diesem Tag mit Wochenmärkten an. Wollte alles von der Pieke auf lernen. Stand ein Jahr jeden Tag zwischen 3.00 und 4.00 auf, um mit Quentin die Märkte Berlins zu bereisen. Schnell kamen Festbuchungen dazu. Hochzeiten, Firmenfeiern, Geburtstage. Eben alles, was gefeiert werden konnte. Im Herbst 2018 eröffnete ich ein Pop Up Café in Lichterfelde West in einer Eisdiele, die über den Winter nicht betrieben wurde. Meine Feuerprobe, ob ich auch mehr schaffen konnte. Und ich bestand sie. Der Laden war voll. Ich kam mit den Buchungen für Quentin nicht mehr hinterher und stellte meinen ersten Festangestellten und besten Freund ein. Er arbeitete erst mit im Pop Up Café und bekam im Februar 2019 einen eigenen Hänger namens Vincent. Optisch ein Zwilling von Quentin nur ein bisschen größer, da dort ein 1.85 großer Mann drinstehen sollte und nicht eine 1.60 kleine Frau. Und dann schritt im Jahr 2019 irgendwie das Schicksal ein. Ein befreundeter Konditor, der auch selbstständig war, sah ein Ladengeschäft in Lichterfelde Ost, das leer stand. Er erzählte mir davon und ich schaute es mir an. Eigentlich war ich sofort Feuer und Flamme, doch das wäre nochmal eine Nummer größer, als all das, was ich bisher gemacht hatte. Besagter Konditor war ein großer Fan von meinen Waffeln und meiner Geschäftsidee. Ich im Gegenzug genauso sehr von seiner Handwerkskunst, seinem Café und ihm. Kurzerhand entschieden wir etwas zusammen zu machen. Und so kam es, dass er seine Selbstständigkeit aufgab, um für mich zu arbeiten und gemeinsam mit mir, den Berliner Süden süßer und glücklicher werden zu lassen. 

Ich übernahm für ein Jahr seinen Laden noch zusätzlich, stellte eine Produktion im Goerzwerk auf die Beine und bekam den Laden in der Lorenzstraße in Lichterfelde, der mein Herz schon beim ersten Sehen erobert hatte.


Natürlich waren in dieser Zeit auch unseren beiden Hänger ständig im Einsatz. Nach unendlich scheinenden Arbeiten, ein paar Nervenzusammenbrüchen, vielen Litern Farbe und dem ersten Kredit wurde am 01.09.2019 „Fräulein Juli“ eröffnet.


Das erste Jahr gab mir Recht. Wir hatten einen Ort geschaffen, der immer besucht und vom Kiez sofort angenommen wurde. Ein kleines Fleckchen Erde, wo es sich lohnte Rast zu machen und Inne zu halten. Ich war wirklich verblüfft über unseren Erfolg. Doch auf einmal musste ich nicht nur mich und Quentin durchbringen. Sondern auch drei Ladenmieten zahlen und 19 Mitarbeiter durchbringen. Ich erinnre mich noch so gut daran, wie ich morgens oft ganz allein im Laden war und staunend und überglücklich dasaß und nur dachte: du hast alles richtig gemacht.


Und dann kam die Corona Pandemie. Wir hatten keinen einzigen Tag im Lockdown geschlossen. Wir mussten unsere Tür schließen aber haben das Fenster für das To Go Geschäft geöffnet. Wir haben einen Lieferservice aus dem Boden gestampft. Flyer im Kiez verteilt. Videos gedreht. Angebotspakete geschnürt. Waffelbonuskarten eingeführt. An unsere Gäste appelliert uns nicht zu vergessen. Mit geschmälerter Speisekarte versucht die Kosten zu senken. Ich habe mich Hinter den Kulissen in den Papierkrieg mit den Behörden gestürzt. Nicht selten die Nächte durchgearbeitet. Nicht selten mit Tränen in den Augen und Angst im Herzen weiter gemacht. Meinen Mitarbeitern versprochen, dass wir es schaffen werden. Alle Buchungen für unsere Hänger in 2020 und 2021 wurden abgesagt. Und trotzdem kamen wir auch durch diese Zeit.


2021 schritt wieder einmal das Schicksal ein. Anders kann und will ich es gar nicht bezeichnen. Fräulein Juli wurde schwanger. Im Dezember 2021 kam mein wundervoller Sohn auf die Welt, der so ungeplant und trotzdem hinreißend war. Eine lebensverändernde Situation, was ich sicherlich keinem Vater oder keiner Mutter sagen muss. Aus dieser Situation heraus traf ich eine Entscheidung. Ich schaffte es ein Jahr lang, nachts, wenn der kleine Mann schlief die Buchhaltung zu machen und alles, was im Hintergrund so anfällt zu erledigen. 9 Monate lang besuchte ich fast täglich mit Kinderwagen, Baby und Windeln im Gepäck meinen Laden. Im Oktober stand ich dann selber wieder Vollzeit im Café. Aber ich musste erkennen, dass wir alle nur eine Maximallast tragen können. Und meine war tatsächlich erreicht. Alles lief gut, zu gut… Und ich hätte mich gerne klonen wollen. Wollte die tollste Chefin der Welt sein, eine herausragende Gastgeberin, Foodtruckerin und vor allem Mutter. Die Einsicht kam, dass ich nicht alles schaffen kann und so beschloss ich, mein Café abzugeben. Eben weil noch nichts bergab gegangen war und weil ich wusste, ich habe noch genug Kraft, um alles zu einem guten Ende zu bringen. Am 31.03.2023 schloss das Café „Fräulein Juli“. Und bis heute bereue ich keine meiner Entscheidungen. Weder die Eröffnung, weil es mein Herzenswunsch war, noch den Entschluss es abzugeben. Denn nun stehen neue Zeiten an. Die mich vor Aufregung wieder einmal ganz hibbelig werden lassen. Ich habe die Backstube und die beiden Hänger natürlich behalten. Kann Mama mit Leib und Seele sein und freue mich über jeden Tag, den ich mit Quentin unterwegs bin und die Menschen mit Waffeln und meiner Geschichte glücklich machen kann.


Die Quintessenz des Ganzen: Du machst Pläne und das Leben kichert im Hintergrund leise, denn es hat etwas ganz anderes mit dir vor. Aber eines darfst du nie vergessen: vertraue dir selbst, glaub an dich und alles ist möglich!


In diesem Sinne, verbleibe ich, Fräulein Juli, mit den allerliebsten Grüßen und freue mich auf eure Anfragen!

Fräulein Juli

Bachelorhochzeit

Das Café